
Liebe Freunde,
wie versprochen, sollt ihr nun Näheres über unsere Arbeit erfahren, unser neues Konzept und weitere wichtige Neuerungen.
Tres Soles:
Aus vielerlei Gründen, u.a. politisch motiviert, (ich habe darüber berichtet) konnte unser Projekt Tres Soles, so wie es konzipiert war, nicht mehr weitergeführt werden und wir mussten deshalb für jedes Kind Ende Jahr 2021 ein neues Zuhause finden. Seitdem werden sie von uns auch weiterhin in finanzieller und pädagogischer Hinsicht betreut; das gilt auch für das kommende Jahr 2023!
Uns war von Anfang an klar, dass nicht alle Bedürfnisse der Kinder in ihrem neuen Zuhause oder nur notdürftig erfüllt werden können. Wir versorgen sie deshalb mit Schulmaterial, Kleidung, Schuhen, im Krankheitsfall usw. entsprechend ihren Bedürfnissen. Für die Teilnahme am virtuellen Unterricht war Voraussetzung, dass die Kinder ein Handy besaßen, was bedeutete, dass wir zwei Kinder mit einem Handy ausstatten mussten. Zum wesentlichen Bestandteil unserer Besuche bei den Kindern gehören der Geburtstagsbesuch einschließlich der traditionellen Tres Soles Geburtstagstorte und der Besuch zu Weihnachten mit einem kleinen Geschenk von uns. Es ist für uns sehr befriedigend zu sehen, dass sich alle Kinder und Jugendlichen in ihrem neuen Zuhause stabilisiert haben und es ihnen gut geht. Die Kinder wurden in fünf verschiedenen Heimen untergebracht: Providencia, Tiquipaya Wasi, Rosa de Sarón, Arco Iris, Cristo Rey und Niños con Valor. Drei Geschwisterpaare leben wieder in ihren Familien.
Das Arco-Iris-Heim bat uns auf Grund unserer langjährigen Erfahrung um einen mehrtägigen Karten-Workshop, in dem die Jugendlichen lernen sollten, wie man Karten herstellt und bemalt. Da sich das Heim Arco Iris in einer besonders schlechten finanziellen Lage befindet, kam es ebenfalls mit der Bitte beziehungsweise Anfrage auf uns zu, ob unser Psychologe Alexej nicht einigen Jugendlichen dort Therapien anbieten könne. Diesen Bitten sind wir natürlich gerne nachgekommen. Leider hat uns auch in diesem Jahr Corona das Leben schwer gemacht, was vor allem für diese Besuche galt. Wir haben versucht, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Unsere Mitarbeiter Alexei und Christian stellten uns dafür ihre Privatfahrzeuge zur Verfügung, so dass trotz aller Einschränkungen jedes Kind mehrere Male besucht werden konnte.
Wie man sich denken kann, mussten wir auf Grund der Veränderungen unseren Mitarbeiterstab verkleinern und einige Betreuerinnen und Betreuer freistellen, was nie unproblematisch ist. Alle haben jedoch zu unserer großen Erleichterung die angebotenen Sozialleistungen und Abfindungen akzeptiert. Allerdings könnten sie bis zu zwei Jahren nach Freistellung noch Ansprüche beim Arbeitsamt geltend machen, was hohe Kosten verursachen würde. Leider haben wir mit einer Mitarbeiterin schon seit Jahren Probleme und müssen für die Anwaltskosten und eine Abgangsentschädigung jedes Jahr Rückstellungen bilden. Der Fall wird derzeit vor einem Arbeitsgericht verhandelt. Hoffen wir, dass das Verfahren zu unseren Gunsten ausgeht, aber das Justizsystem in Bolivien ist sehr langsam und korrupt, und unangenehme Überraschungen sind nicht auszuschließen.
Luis Espinal:
In den letzten Monaten hat sich das Leben im Studentenwohnheim Luis Espinal allmählich wieder normalisiert. Mehrere Studenten und Lehrlinge sind zum Präsenzunterricht zurückgekehrt, was auch eine Rückkehr in das Wohnheim bedeutete. Insgesamt 22 junge Menschen erhielten ein Stipendium für die Ausbildung und die Verpflegung. Trotz der schwierigen Umstände haben sechs Frauen und Männer ihre Ausbildung in folgenden Berufen abgeschlossen: Wirtschaftsingenieurwesen, Informatik, Finanzingenieurwesen, Betriebswirtschaft, Politikwissenschaften und Biochemie/Pharmazie. Was uns besonders freut, ist der Umstand, dass sich unter ihnen Ruth Fernández befindet, die ein Studium zum Wirtschaftsingenieurwesen gemacht hat. Sie ist eine ehemalige Bewohnerin der Kinder- und Jugendwohngemeinschaft Tres Soles und die jüngere Schwester von Margarita und Omar, die uns 2013 auf unserer Theatertournee begleitet haben. Auch wenn die genannten Berufstitel hochgestochen klingen und in keiner Weise mit nordamerikanischem oder europäischem Niveau zu vergleichen sind, finden wir dies doch eine beachtliche Leistung.
Indigo Sol:
Auf Bitten der Schule Arturo Quitón und der Organisation Indigo Sol wurde ein Programm zur Unterstützung von Kindern, die von der Covid-19-Pandemie betroffen sind, mit täglichem Mittagessen und Nachhilfeunterricht eingerichtet. Zu diesem Zweck steht seit April das leerstehende Haus der ehemaligen Kinder- und Jugendgemeinschaft Tres Soles zur Verfügung. Es gibt jetzt viele “Covid-Waisen” und die von der Pandemie verursachte Wirtschaftskrise hat die finanzielle Grundlage vieler Familien zerstört.
Indigo Sol ist eine Organisation, die kürzlich gegründet wurde. Die Bewilligung der Rechtspersönlichkeit und der Statuten durch die Regionalregierung von Cochabamba steht kurz vor dem Abschluss, der zweijährige Prozess wurde von einer Rechtsberatung begleitet Die Idee ist, Indigo Sol unsere Gebäude zu übergeben, wenn der Vertrag mit dem Aussenministerium 2024 ausläuft, damit sie weiterhin für soziale Aktivitäten genutzt werden können, wie zum Beispiel für das Studenten- und Lehrlingsheim Luis Espinal oder den Mittagstisch und die Aufgabenhilfe für die Corona-Waisen. Mit Hilfe von Indigo Sol konnten wir nicht nur die nötigen Lebensmittel organisieren, sondern auch stundenweise eine Köchin anstellen.
Da es sich bei Indigo Sol um eine rein bolivianische Organisation handelt, ist seitens der staatlichen Behörden alles weit weniger kompliziert und bürokratisch. Im Gegensatz dazu war Tres Soles nach den Statuten eine Schweizer Organisation und wurde deshalb als ausländische Einrichtung von den bolivianischen Behörden seit der Machtübernahme von Evo Morales systematisch diskriminiert und schikaniert.
Abschied von St. Konrad/Neues Spendenkonto:
Wie alle wissen, hätte Tres Soles wohl nie all die Jahrzehnte überstehen können, wenn es nicht die Pfarrei St. Konrad in Mannheim gegeben hätte mit dem Missio/Eine-Welt-Kreis und seiner Vorsitzenden Magda Keller, die sich über Jahrzehnte hinweg unermüdlich für Tres Soles engagiert hat und Hermine Haag, die für die Buchhaltung und Spendenquittungen verantwortlich war. Aus Kirchen rechtlichen Gründen muss nun das Tres Soles Spendenkonto zum 31.12.2022 geschlossenwerden. Allerdings konnten wir ohne bürokratischen Aufwand zu einem bereits bestehenden sehr vertrauenswürdigem Spendenkontowechseln. Es handelt sich um den Bolivienverein Inti Runa (www.intiruna.org), gegründet 1993, dessen Vorsitzender der Fotograf Ludwig März ist. Für uns war es ein Glücksfall, dass wir ihn auf einer Theatertournee 1999 in Deutschland kennengelernt haben, denn seitdem wird Tres Soles von dem Verein jedes Jahr durch seinen Kalenderverkauf großzügig unterstützt. Das noch vorhandene Restgeld auf dem Mannheimer Konto wurde zum Jahresende ebenfalls auf das Konto von Inti Runa überwiesen. An dieser Stelle bitte ich mir nachzusehen, dass ich nicht weiter auf die geleistete Arbeit des Missio-Eine-Welt Kreis in St. Konrad, Mannheim eingehe. Zu gegebener Zeit wird das nachgeholt.
Wir können nur wiederholen, dass ohne eure grosszüge Hilfe, positive Energie und aufmunternden Rückmeldungen unsere lange Arbeit (in diesem Jahr sind es 33 Jahre!) nicht möglich gewesen wäre. Vielen, herzlichen Dank für alles!
Liebe Grüsse aus Bolivien,
Stefan und Guisela
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